Vermutlich ist es bezeichnend, dass ich nach einer aufregenden dreiwöchigen Reise durch Thailand mit einem zauberhaften Yoga-Retreat im Dschungel in meinem Freundeskreis vor allem eine Frage gestellt bekomme: „Wie war das denn für dich, so 10 Tage ganz ohne Handy?“

Man kennt mich eben. Ich lebe, arbeite, kommuniziere online. Ich liebe die sozialen Netzwerke. Wann immer irgendwo eine Statistik erscheint, wie oft Otto Normalbürgerin so zum Handy greift (zuletzt habe ich 180 Mal am Tag gelesen) kann ich nur milde lächeln. Mein Konsum liegt weit darüber. Und manchmal – ja, nicht immer und nicht grundsätzlich, aber doch immer häufiger – finde ich das auch bedenklich. Aber dazu später mehr.

Im wunderbaren Jungle Yoga Reatreat habe ich bereits vor 3 Jahren (hier gehts zum Erlebnisbericht) 7 Tage auf mein Handy verzichtet. Das ging erstaunlich gut. Aber erstens waren das ganze 3 Tage weniger, zweitens war ich da noch weniger stark abhängig, drittens hatte ich meine beste Freundin dabei und viertens hatte ich noch nicht erfahren, wie wichtig es manchmal sein kann, erreichbar zu sein. Wenn eine Nachricht oder ein Anruf kommt, der dich auf die Intensivstation eilen lässt.

Die ersten Tage: der automatisierte Handgriff

Kein Balken mehr – nichts. Mein Smartphone liegt nutzlos auf dem Nachttisch in meinem Bungalow im Urwald. Ich habe im See gebadet, meine Klamotten ausgepackt, alles verstaut, zum Lesen bin ich gerade zu müde. Automatisch wandert meine Hand zum Handy. Logisch, ist ja auch die Uhrzeit darauf zu lesen. Aber ehe ich es mich versehe, habe ich schon auf das Instagram-Symbol geklickt, wo natürlich noch immer dasselbe Bild zu sehen ist, wie am Morgen. Ich lache über mich selbst und lege das Handy wieder weg. Etwas später erwische ich mich wieder dabei, dasselbe Bild anzustarren. Mal auf Facebook, mal auf Instagram. Manchmal scrolle ich ein wenig herunter zu noch älteren Inhalten. Dann finde ich mich selbst lächerlich und lege das Handy wieder weg.

Die ganze Zeit: die Angst vor dem Boot

Am Morgen, als ich in den Dschungel und damit die handyfreie Zone kam, stieg der Mann in den Flieger zurück in die Schweiz – die ersten Tage hatte er mich in Thailand begleitet. Ob er gut angekommen war, wusste ich nicht. Aber ich hatte ihm, seiner Mutter und meinen Eltern meine Notfallnummer gegeben. Sollte diese Nummer jemand wählen, würde ein Boot losfahren und mich informieren. Das ist ein seltsames Gefühl. Du weißt, du hörst von deiner Familie nichts – AUSSER wenn etwas passiert ist. Also hoffst du mit jeder Faser deines Körpers, dass du nichts hören wirst. Ich denke an die Worte meiner Mutter, die sagte: „Also von mir hörst du nichts – egal, was passiert. Das hat alles Zeit bis nach deinem Urlaub.“ Das war gut gemeint – aber irgendwie wäre mir wohler, wenn ich wüsste, dass ich eben DOCH etwas hören würde. Im Notfall.

Die ganze Zeit: andere Gespräche

Nach dem Frühstück, dem Mittagessen, dem Abendessen oder bei einer zufälligen Begegnung auf dem Bootsteg und im Wasser: Ich bleibe sitzen und unterhalte mich mit den Menschen, die hier mit mir im Urwald sind. Manchmal stundenlang. Oft über sehr persönliche Themen. Auch mit denen, die ich vorher noch gar nicht kannte. Man lernt sich anders kennen, wenn KEINER einen Draht nach Außen und zudem auch keine Termine hat. Wenn keine Ablenkung da ist. „Irgendwie ist das erholsam, dass wir hier alle zusammen am Tisch sitzen und keiner sein Handy in der Hand hat“, sagt eine meiner Mityoginis abends, als wir nach dem Essen gemeinsam den Sternenhimmel genießen.

Was mir auch auffällt ist, wie analog die Themen sind. Ganz so, als gäbe es das Internet einfach nicht. Wenn man das lustige Video, das jetzt gerade zum Thema passen würde, nicht zeigen kann, sondern erzählen müsste, kommt es einem plötzlich doof vor. Man lässt es bleiben.

Nur googlen würden wir manchmal gerne. Wenn wir über etwas diskutieren und sich niemand mehr ganz sicher ist. Oder wenn wir uns Gedanken darüber machen, was das Nashornvogel-Weibchen wohl ganze drei Monate Brutzeit lang allein in seinem Nest anstellt.

Die letzten Tage: okay, jetzt reicht’s!

Etwa drei Tage bevor wir den Dschungel wieder verlassen, werde ich unruhig. Ich will jetzt endlich wissen, wie es den Daheimgebliebenen geht!! Ob mein Hund brav war, der Mann Vorstellungsgespräche hatte, alle gesund und wohlauf sind. Ich tippe WhatsApp-Nachrichten vor, um sie sofort verschicken zu können, wenn ich endlich Wlan habe. Und dieses blöde erste Bild im Instagram-Feed kann ich auch nicht mehr sehen. Überhaupt müsste ich dringend noch ein Hotel in Bangkok buchen …

 

Das Ende des Detox: Schweigen und kalter Kaffee

Als es endlich wieder Wlan gibt, sitzt noch immer ein großer Teil unserer tollen Gruppe zusammen am Flughafen in einem Café. Auch wenn sich einige noch etwas zieren, irgendwann wählt sich JEDER ins Wlan ein. Und dann ist plötzlich Schweigen am Tisch.

Ich lese erst einmal nur die wichtigsten Nachrichten auf WhatsApp- ok, es geht allen gut – schicke ein paar Lebenszeichen und buche mein Hotel. Dann aber – am Tisch sind ja sowieso alle still und in ihr Gerät vertieft – gehe ich doch auch in alle anderen Netzwerke und lese die anderen Nachrichten. Und irgendwann bemerke ich, dass der Kaffee vor mir kalt ist.

Einige Stunden später sitze ich in Bangkok, habe gerade eine Stunde mit dem Mann telefoniert und scrolle wieder durch meinen Instagram-Feed. Irgendwie kommt mir plötzlich alles so laut, belanglos und überfordernd vor. Was soll ich selbst posten? Was allein für mich genießen? Es ist, als müsste ich mein Medienverhalten nach diesen 10 Tagen völlig neu überprüfen und einstellen.

Die Erinnerung: Handy verloren

Zurück in der Schweiz bin ich bald (fast) wieder in meinen alten Mustern. Und das, obwohl ich spüre, wie sehr es mich ermüdet, wenn ich zu viel am Bildschirm sitze – egal ob am Handy oder am PC. Und dann passiert es: Auf der Fahrt zur Arbeit rutscht mir mein Smartphone aus der Tasche und ist weg. Mit allen Bildern, allen Kontakten, allen Accounts.

Ich merke, wie mein Herz rast und versuche mich selbst zu beruhigen, dass es doch nur ein technisches Gerät sei, und dass ich doch vor Kurzem sogar noch ganz ohne auskam. Tatsächlich ist es aber nicht die Aussicht, ein paar Tage ohne Smartphone auskommen zu müssen kaum, die mich schreckt. Es ist  der Verlust aller persönlicher Daten und die Angst davor, dass diese in die falschen Hände geraten- diese Dinge machen mir Bauchweh.

Ein ehrlicher Finder aber gibt das Smartphone beim Tramfahrer ab und einige Stunden später schon, halte ich es wieder in den Händen. War das ein Warnschuss? Eine Erinnerung daran, wie viel entspannter und energievoller ich ohne das Gerät war?

12 Stunden offline – PRO TAG! Wer macht mit?

Jetzt, da ich erfahren habe, wie es ohne Handy ist, möchte ich weitere Versuche unternehmen, meinen Handykonsum einzudämmen und bewusster zu gestalten. Als ersten Schritt verordne ich mir abends nicht mehr erreichbar zu sein. Nur habe ich das mit „um 21 Uhr das Handy aus“ schon häufiger probiert – und bin gescheitert. Mein neuestes Projekt heißt: 12 Stunden offline. Wenn ich um 21 Uhr das Handy ausschalte, darf ich es auch erst um 9 Uhr wieder einschalten. Bin ich noch später dran, heisst das: Morgens noch länger ohne klarkommen. Ziel ist: Handy aus von 20 bis 8 Uhr. Den halben Tag also. Die Einschränkung auf diese Zeit zu legen hat viele Vorteile:

  • Ich verhindere so, dass ich abends Stunden am Smartphone verdaddele anstatt ins Bett zu gehen und mich das Smartphone-Licht und die Dinge, die ich online sehe, wach halten.
  • Ich gebe mir selbst morgens Zeit erst einmal Dinge zu erledigen, die MIR wichtig sind, bevor jemand anderes etwas von mir will.

Klingt gut? Ja, dann macht doch mit! Ich würde mich riesig freuen, EURE Erfahrungen zu hören. Wie wäre es mit dem Hashtag #offline8to8? (Onlinefreaks wie ich wollen auch für ein Digital-Detox-Thema ein Hashtag.)

Ich treffe zudem folgende Maßnahmen:

  • Das Handy bleibt künftig zu Hause, wenn ich mit dem Hund draußen bin. Das habe ich die letzten Tage schon ausprobiert und Sukhi findet es super, weil er so viel mehr Aufmerksamkeit erhält (und ich oft Leckerlis in der Hand habe). Und ich genieße die Zeit, die ich an der frischen Luft bin ganz anders.
  • Wenn ich an etwas arbeite, werde ich mir immer wieder die Freiheit nehmen, das Smartphone auf den Flugmodus zu schalten oder in eine Tasche oder anderes Zimmer zu legen. Ja, das heißt, ich antworte ab sofort langsamer. Dafür bewusster. Und mein ständiges „kurz checken“ fällt weg. Ich möchte mehr HIER sein als dort.

Was haltet ihr von meinen Ideen? Wie schränkt ihr euren Smartphone-Konsum ein? Ich freue mich von euch zu hören!

Namaste und Wuff, Bianca und Sukhi

 Usprünglich erschienen auf sukhiyoga.net