Ich will es schon lange tun. Dieses Nichtstun. So schwierig kann das ja eigentlich auch nicht sein, einmal am Tag ein paar Minuten die Augen zu schliessen und einfach mal still zu sein, oder? Spoiler: Doch, kann es.

Schon lange sind nicht mehr nur Yogis und Alternativmediziner von der Heilsamkeit der Meditation überzeugt. Immer mehr „moderne“ Ärzte und Psychologen wenden die Achtsamkeitsmeditation an – weil sie ihre Wirkung auf bunten Hirnscanbildchen beobachten konnten. Meditation ändert unser Schmerzempfinden, sie macht uns resistenter gegen Stress, hilft Menschen mit Depressionen seltener und in weniger tiefe Löcher zu fallen, steigert unsere Konzentrationsfähigkeit und sorgt insgesamt dafür, dass wir ruhiger und bedachter durchs Leben gehen. Mehr als genug Gründe um sich einfach mal hinzusetzen und mal ein paar Minuten auf seinen Atem zu achten.

Trotzdem ist es mir in den vergangenen Jahren einfach nicht gelungen, eine regelmässige Meditationspraxis aufzubauen. Und dabei bin ich wohl kaum mehr Schwierigkeiten begegnet als jeder andere Meditationsanfänger.

„Okay. Da bin ich nun also. Phew. Cool. Ich habe es geschafft mir Zeit für mich zu nehmen. Also jetzt. Auf den Atem konzentrieren. Ein und aus. Super. Hey, das fühlt sich voll gut an. Ich bin voll die gute Meditateurin. Weiß gar nicht, was daran so schwer sein soll. A propos schwer, im Flur steht ja immer noch der Bücherstapel, den ich in den Keller bringen wollte. Aber ist da überhaupt noch Platz? Vielleicht, wenn wir die Wintersachen in ein anderes Regalfach räumen? Es ist doch unglaublich, was sich da schon wieder angesammelt hat. Dabei ist der Kellerbrand doch erst drei Jahre her! Sind wir inzwischen eigentlich gut genug versichert gegen sowas? Wie hoch war unser Selbstbehalt der Versicherung? Ich hab ja immer noch Zweifel, ob sich so Versicherungen lohnen…Oh! Wo bin ich denn jetzt gelandet? Also, zurück zum Atmen. Also. Ein und aus. Ein und aus. Irgendwie tut das im Rücken weh. Ich änder mal die Sitzposition. Oder halt ich es noch aus? Soll ich überhaupt aushalten? Was hat doch gleich meine Lehrerin gesagt? Jetzt bin ich ja schon wieder mit den Gedanken woanders. Also. Ein und aus. Was ich mit dieser Zeit alles anfangen könnte! Sollte ich nicht eigentlich am PC sitzen und die Steuererklärung ausfüllen? Ich meine, bringt das hier überhaupt was, wenn ich es immer falsch mache und mich in Gedanken verliere? Soll ich vielleicht doch lieber ein bisschen Yoga… Ach, ich finde, das war jetzt auch schon lang genug… Oder vielleicht mach ich es ja auch einfach falsch? Sollte ich vielleicht lieber ein Mantra denken? Den Atem zählen? Oh mann, ich geb auf für heute…Ich bin voll schlecht! Ich kann nicht einmal 5 Minuten still sitzen…“

Kommt das vielleicht dem ein oder anderen bekannt vor? Mich jedenfalls hat genau dieser Gedankenstrom davon abgehalten, mich wirklich regelmässig hinzusetzen. Bis Ende Juli diesen Jahres.

Denn seither habe ich an 58 Tagen (85.3% aller Tage) meditiert, insgesamt 10 Stunden und 35 Minuten sass ich in Stille. (Woher ich das so genau weiss, erzähle ich später noch).

Was habe ich anders gemacht und was hat sich seither verändert?

Was mir geholfen hat, zu einer regelmäßigen Meditationspraxis zu finden…

  1. Kleine Schritte. Statt mich gleich 10 oder gar 15 Minuten hinzusetzen, habe ich mit 5 Minuten angefangen. Immer dann, wenn ich mich bereit gefühlt habe, habe ich eine Minute dazu genommen. Inzwischen bin ich bei 10 Minuten angelangt – und mache zuvor noch eine dreiminütige Atempraxis – insgesamt sitze ich also 13 Minuten.
  2. Eine feste Zeit und ein fester Ort. Die Meditation ist jetzt ein Teil meines Zu-Bett-geh-Rituals und ich habe festgelegt, dass dieses mindestens 30 Minuten bevor ich das Licht ausschalten will, beginnt. Und die Yogamatte mit meinem kleinen Meditationskissen darauf liegt allzeit bereit.
  3. Eine App. War ja klar, dass ich als Digitalfreak natürlich wieder eine App brauche, um eine Gewohnheit zu schaffen, die mir eigentlich dabei helfen soll, all den Datennebel im Kopf zu lüften, oder? Aber was soll ich sagen: Die kleinen Gamification-Prozesse helfen mir einfach. Ich nutze die App Insight. Hier stelle ich die Zeit ein und den Gong und sehe hinterher, wie viele Menschen gerade weltweit mit mir meditieren – meist sind das so zwischen 2000 und 5000. Ich kann nach der Meditation auch nachsehen, wie viele davon in meiner Nähe meditierten, und finde es immer wieder schön zu sehen, dass ich nicht die Einzige bin, die gerade in Basel „herumsitzt“. Ausserdem bekomme ich für zehn Meditationstage in Folge ein Sternchen. Was mich tatsächlich motiviert hat TÄGLICH zu meditieren und nicht nur 4 bis 5 Tage pro Woche, wie ich es ursprünglich geplant hatte. Und die genaue Statistik, mit der ich oben schon angegeben habe, stammt auch aus der App. Ich liebe es zu sehen, wie die Zahlen täglich wachsen.
  4. Erwartungen herunterschrauben. Mein Hauptproblem mit der Meditation war die Erwartung hatte, dass es sich entspannend anfühlen würde. Und dann ging eben oben gezeigter Dialog los – genau das Gegenteil von Entspannung. Es war unheimlich erleichternd für mich, als ich gleich an mehreren Stellen gehört habe, dass Meditation unangenehm sein DARF. Dass ich mein Gehirn doch mal wie einen Muskel betrachten soll, der trainiert werden muss. Das ist – ähnlich wie Muskeltraining – besonders am Anfang nicht schön. Aber man muss es einfach durchstehen, denn es wird leichter. Mein Gewohnheiten-Coach Marie meinte zudem: „Das Einzige, was du falsch machen kannst, ist abzubrechen.“ Auch beruhigend. Nicht abzubrechen, werde ich ja gerade noch so hinkriegen.
  5. Darüber sprechen. Es ist ja schön und gut, dass in der App viele Menschen mit einem meditieren. Aber außer ihnen für die gemeinsame Meditation zu danken, kann man leider nicht mit ihnen in Kontakt treten. Ich wäre so neugierig, wie es den anderen Menschen in meinem Feed so GEHT bei ihrer Meditation. Welche Methoden sie benutzen und warum. Zum Glück habe ich durch meinen Gewohnheiten-Kurs und auch in meiner Yogalehrerausbildung Menschen um mich, die gerade einen ähnlichen Weg gehen und mit denen ich mich austauschen kann. Wenn ihr also auch überlegt, eine Meditationspraxis aufzubauen, sucht euch Menschen, die mitmachen – in eurem Umfeld oder in einem Kurs. Es hilft unheimlich, zu sehen, dass man mit seinen Schwierigkeiten nicht alleine ist. Mein Coach Marie fordert uns ausserdem hin und wieder dazu auf, mit unseren Erfolgen anzugeben. Denn die übersieht man ja auch oft zu leicht oder nimmt sie als selbstverständlich hin.

Und wozu das Ganze? Was bringt Meditation mir persönlich?

Ich scheue mich noch ein bisschen davor, euch „Ergebnisse“ meiner bisherigen Meditationspraxis zu präsentieren. Weil ich ein bisschen Angst habe, dass es sich ändert, sobald ich es hinschreibe. Denn persönliche Entwicklung geht ja so oft zwei Schritte vorwärts und einen wieder zurück…

Zudem experimentiere ich ja im Rahmen meines Gewohnheiten-Kurses gerade mit mehreren gesunden Gewohnheiten gleichzeitig und kann daher nur schwer unterscheiden, welche Entwicklung jetzt der Meditation zuzuschreiben sind und welche ich vielleicht andere Gewohnheiten zu verdanken habe. (Darauf werde ich am Ende es Kurses noch einmal genauer eingehen.)

Trotzdem: Ich habe Meditation inzwischen zu meiner „Kerngewohnheit“ erklärt. Der einen, um die sich alle anderen drumherum gruppieren können. Die, auf die ich auf keinen Fall verzichte. Weil ich spüre, dass ich sie brauche, um alles andere überhaupt WAHRZUNEHMEN. Nur, wenn ich in Stille sitze, spüre ich auch, wenn anderes aus dem Gleichgewicht gerät, weil ich zum Beispiel das Falsche gegessen habe oder weil der Herbstwind mich auch innerlich aufwühlt. Nur wenn ich das wahrnehme, kann ich auch etwas dagegen tun. Ich spüre mich selbst mehr als zuvor, bin feinfühliger. Gleichzeitig kommt es auch ganz allmählich, dass ich mich nicht mehr so leicht aus der Ruhe bringen lasse, wenn etwas Unerwartetes passiert – aber hier stehe ich noch recht am Anfang meiner Reise.

Und – ich schreib es jetzt einfach, und hoffe, dass es so bleibt: Ich habe seit Ende Juli keine Migräne mehr gehabt. Das rechne ich jetzt keinesfalls das Meditation alleine an, aber eben der Feinfühligkeit, die durch die Meditation entsteht. Ich kann etwas gegen ein Ungleichgewicht tun, bevor mein Körper mir dringendere Warnsignale wie die Migräne schicken muss. Wenn das bleibt, sind die 13 Minuten pro Tag wirklich eine großartige und mehr als lohnenswerte Investition.

Worauf ich noch hoffe und warte (wie war das mit Erwartungen herunterschrauben?), ist, dass mir die Meditation hilft, fokussierter zu arbeiten und mich weniger leicht ablenken zu lassen.

Wie geht es euch mit eurer Meditationserfahrung? Wo steht ihr im Prozess? Habt ihr zusätzliche „Tricks“, die euch helfen dranzubleiben? Ich freue mich, wenn ihr mir davon erzählt!

Wuff und Namaste Bianca und Sukhi

Usprünglich erschienen auf sukhiyoga.net