Wow, was für eine intensive Erfahrung: Im Studio stehen, nervös hin- und herdappeln, immer wieder die Notizen durchgehen, den Timer für die Stunde auf 90 Minuten stellen, noch mal einen Schluck Wasser trinken, die Gläser zurecht rücken und beim Klingeln der Türe hochschrecken:

Okay.

Jetzt gibt es kein Zurück mehr.

Da kommt jemand und möchte Yogaunterricht.

VON MIR.

Vergangene Woche habe ich meine ersten beiden Yogastunden geben dürfen – als Vertretung für die wunderbare Salome Noah. Aufgeregt? Ich? Ohhh ja.

Und das habe ich gelernt…

  1. Timinig ist alles.
    Ich hatte für meine 90 Minuten Stunden lediglich ein paar mehr Asanas zurecht gelegt als für die 60 Minuten Klasse, die ich zu Hause an meinem Freund ausprobiert hatte. Und dann den Gedanken gehabt „ach, ich mach einfach alles ein bisschen gemütlicher für die 90er-Klasse!“. Dass ich in meiner Aufregung alles eher ein bisschen zu schnell als zu langsam machen würde, hatte ich natürlich nicht bedacht. Also ging es schon 30 Minuten vor Schluss auf Savasana zu und ich musste mir was einfallen lassen.
  2. Es lässt sich nicht alles planen.
    Ohne meinen festen Plan und meine Probestunde hätte ich mich wirklich verloren gefühlt da vorne. Trotzdem kann immer etwas passieren, dass man plötzlich von diesem Plan abweichen muss. Zum Beispiel kommen einige Schülerinnen nicht mit, oder du hast eben plötzlich noch 30 Minuten übrig. Dann heisst es: Ruhe bewahren und so tun als wäre genau diese soeben spontan ausgedachte Asana-Folge der völlig logische Abschluss für deine Klasse. Auch wenn du beim Ansagen noch etwas ins Schleudern kommst.
  3. Die höchsten Ansprüche an die Lehrerin hat sie vermutlich selbst.
    Warum macht die Schülerin in der ersten Reihe denn jetzt nicht die Augen zu? Überhaupt, warum erwidert denn niemand meinen Blick und lächelt zurück? Finden die etwa schlecht, was ich mache?
    Nein, sie machen genau das, wofür sie hier hergekommen sind: Sie konzentrieren sich auf sich selbst, ihren Körper, ihre Atmung, bleiben bei sich. Und sind einfach froh, dass sie jemand führt. Die allerwenigsten sind gekommen, um die Lehrerin zu bewerten. Und tatsächlich stört sich niemand daran, wenn du bei der Ansage mal Ellbogen und Knie verwechselst, so lange sie mit einem kurzen Blick zu dir sehen können, was du wirklich gemeint hast.
  4. Übung, Übung, Übung…
    Ich habe an diesem ersten Tag gleich zwei Yogastunden gegeben – mit einer Stunde Pause dazwischen. Die zweite Klasse lief so viel besser als die erste. Plötzlich hatte ich die Gelassenheit, auch mal von meiner Matte aufzustehen, und Hilfestellung zu geben. Dadurch hat es sich viel schöner und sinnvoller angefühlt als beim ersten Mal. Ich würde das jedem Neu-Lehrer absolut ans Herz legen: Verpflichtet euch gleich für zwei Stunden. Es muss ja nicht unbedingt gleich am ersten Tag sein (siehe Learning Nummer 5). Aber nach der ersten Stunde kann euer innerer Kritiker verdammt stark sein. Meiner zumindest war übermächtig und wollte mir gleich weis machen: „Yogalehrerin? Du? Das wird nichts!“ Da konnte mich auch das liebe Feedback der Schülerinnen nicht vom Gegenteil überzeugen.  Die Lernkurve zwischen der ersten und der zweiten Stunde ist aber super steil – besonders wenn es zweimal in etwa dieselbe Stunde ist, die man unterrichtet. Jetzt nach der zweiten Stunde fühle ich mich wirklich gut und kann mich voll auf die dritte und vierte freuen.
  5. Himmel, ist das anstrengend!
    Ich hatte schon immer grossen Respekt vor dem Lehrerberuf im Allgemeinen und dem Yogalehrerberuf im Besonderen. Aber erst jetzt ist mir so wirklich bewusst geworden, was es heisst, so lange vollkommen präsent sein zu müssen, weil alle auf dich und deine Anweisungen warten. Ich war nach dem Unterrichten total erschlagen und der restliche Tag wurde zum Sofatag. Aber gerade so Bürotieren wie mir tut das auch gut, mal wirklich so fokussiert bleiben zu müssen. Am Abend hatte ich dann plötzlich das Gefühl krank zu werden und wunderte mich: „Nanu? Mitten im Sommer?“ Dabei war es nur Halsweh. Zweineinhalb Stunden zu sprechen, bin ich einfach nicht gewöhnt!

Usprünglich erschienen auf sukhiyoga.net