Dieser Text ist für dich, wenn dir als Frau die Wiederwahl Trumps wehtut. Mehr als andere politische Entscheidungen auf der Welt. Denn ich glaube, dass diese Erfahrung bei uns Wunden aufgerissen hat. Wunden, die zum Teil gar nicht unsere eigenen sind. Und ich möchte darüber nachdenken, was wir tun können, um zu heilen – UND um uns zu verteidigen. Denn ich fürchte, das müssen wir.

Trump steht für alles, was am Patriarchat toxisch ist

Bevor ich an diesem Mittwochmorgen mein Handy angeschaltet habe, habe ich es gewusst. Ich wusste, dass Trump gewonnen hat. Ich habe mich im Bett darauf eingestellt, wieder so zu erschrecken, wie an jenem Morgen in 2016.  Und es war doch ganz anders. Diesmal hat es sich nicht einfach nur verrückt angefühlt, sondern wie ein Angriff. Ein Angriff auf mich als Frau. Und dabei bin ich weiß, heterosexuell und privilegiert und wohne noch nicht einmal in den USA – ich kann nur ahnen, wie es Menschen geht, die dort zu marginalisierten Gruppen gehören.

Dass Trump nicht nur wegen verzerrender Fehler im US-Wahlsystem gewinnt, sondern tatsächlich so deutlich gewinnt, tut weh. Da will tatsächlich die Mehrheit des Landes einen Mann im wichtigsten Amt der Welt sehen, der Frauen verachtet und ihre Rechte einschränken möchte. So viele Menschen sehnen sich also nach etwas, was mir das Blut in den Adern gefrieren lässt: Nach Männern, die wie Gorillas auf den Bühnen der Welt herumschreien, sich die Körper von Frauen zu eigen machen und alle Menschen, die anders sind, als minderwertig erklären. Die Geld und ihre Macht über alles stellen. Die all das repräsentieren, was am Patriarchat zutiefst toxisch ist. Vor allem für Minderheiten und Frauen. Aber durchaus auch für Männer. Und wenn sie sich nicht bewusst danach sehnen, dann akzeptieren sie es zumindest. Um es mit den Worten von Aktivistin Tupoka Ogette in ihrem Instagram-Post zu sagen:

„Die Wahl fällt eher auf einen verurteilten Kriminellen, einen Rasissten und Sexisten als auf eine kompetente Schwarze Frau.“

Warum der Schmerz so ungewöhnlich tief geht

Für mich fühlt sich die Wiederwahl von Donald Trump an, als hätte jemand eine Wunde aufgerissen, die noch nicht ganz verheilt war. Als ich diesen Gedanken geteilt habe, haben mir so viele Frauen gesagt, dass es ihnen genauso geht.

Es geht tief. Aber warum?

Ich glaube, weil die Wunde, die so viele in meiner Generation noch spüren können, nicht nur unsere eigene ist. Viele Generationen vor uns haben darunter gelitten, dass sie nicht so leben konnten, wie es ihnen entsprochen hätte. Dass sie das Patriarchat in bestimmte Rollen und Verhaltensweisen gepresst hat.

Ich beschäftige mich gerade mit meiner eigenen Familiengeschichte und stoße da auf so viel Leid, das nicht meiner Familie zu eigen ist – sondern allen Familien, die ich kenne.

  • Da waren Urgroßmütter, die keine sein wollten – aber sich der Erwartung fügten.
  • Da waren Großväter, die im Krieg kämpfen mussten, obwohl das ihren Werten widersprach.
  • Da waren Väter, die sich über ihren Job definierten und ihren Lebenssinn schwinden sahen, als sie nicht mehr fit und leistungsfähig waren.
  • Da waren Kinder, die sich lieber wegduckten und anpassten, um ihren überforderten Eltern ja keinen Ärger zu machen.
  • Und sie wuchsen wieder zu Menschen heran, die ihre Bedürfnisse nicht äußern konnten oder vielleicht gar nicht spürten.

Wir waren bereit die Traumata zu heilen – für uns und die kommenden Generationen!

Von den Menschen meiner Generation höre ich oft, dass es unser Job ist, die Traumata der Generationen vor uns zu heilen. Weil wir die ersten sind, die in Sicherheit und Wohlstand aufwachsen und die Zeit und die finanziellen Mittel haben das zu tun. Vor allem aber, weil wir uns bisher so sicher fühlen durften, dass wir uns fragen konnten: Wie will ich mein Leben leben?

Aus diesem riesigen Privileg erwächst in meinen Augen auch die Pflicht zu heilen, was uns die vorangegangenen Generationen mitgegeben haben. Dass Traumata über Generationen weitergegeben werden, liegt nicht nur daran, dass Kinder etwas „mitbekommen“ durch das Verhalten ihrer Eltern. Die Traumata stecken auch in unserem Erbmaterial, wie die Epigenetik zeigt.

Die Verantwortung, das zu heilen, wiegt schwer – aber ich habe die Ärmel hockgekrempelt – ich war bereit das anzugehen. Wie so viele andere Menschen um mich herum – ganz besonders die verantwortungsvollen Eltern, die sagen: „Diesen Rucksack sollen meine Kinder nicht mehr tragen.“

Aus Traurigkeit wird Wut: Was fällt euch ein, den Heilungsprozess zu unterbrechen?

Doch wenn jetzt dieses toxische Trump-Patriarchat zurückkommt, dann wird uns diese Chance genommen. Dann müssen Männer wieder in den Krieg ziehen und sich aufreiben, weil sie immer nur Stärke zeigen müssen. (Gorilla-Elon …)

Dann werden Frauen wieder aus der Öffentlichkeit gedrängt, sie werden zur Nebensache, ja zum Besitz erklärt und die Männer bestimmen sogar darüber, ob sie ein Kind austragen oder nicht. Dann wiederholen sich die Traumata.

Zuerst hat mich dieser Gedanke einfach nur unsagbar traurig gemacht. Die aufgeplatzte Wunde, die nicht nur meine ist, tut weh.

Langsam aber kommt die Wut.

Was fällt euch verdammt noch einmal ein, unseren gesellschaftlichen Heilungsprozess so jäh zu unterbrechen? Wir waren auf einem guten Weg! Zu einem friedlichen Zusammenleben. Zu einer Gesellschaft in der jedes Mitglied wertvoll ist und gesehen wird.

Wir hatten noch bis vor wenigen Jahren so wenige Kriege wie nie zuvor, und so wenig hungernde Menschen wie nie zuvor. Ja, sogar unser Bewusstsein, dass wir die Erde nicht so ausbeuten dürfen ist immer stärker angewachsen.

Und das wollt ihr uns alles nehmen?

Ihr unterschätzt die weibliche Urkraft!

So nicht. Denn wir sind viele Verwundete, die NIE WIEDER so leben wollen. Und unsere Stärke ist raffinierter, als ihr es vermutet.

Seit wenigen Wochen bin ich Teil einer Tanzgruppe nur für Frauen. Und die Art, wie wir dort Bewegung leben, erinnert mich an etwas, was ich vergessen hatte. Nach dem ich mich aber zutiefst sehne: einer weiblichen Urkraft. Sie entsteht durch die Kombination aus „ich darf zeigen wie ich bin“ und „wir sind alle verbunden“.

Das ist es, was wir dem erstarkenden Patriarchat entgegenhalten können. Wie genau, das weiß ich noch nicht. Aber ich spüre, wie wichtig es ist, dass wir uns jetzt nicht klein machen, sondern sichtbar bleiben – genauso wie wir sind.

Eine Gesellschaft in der nicht jeder sichtbar werden kann, kann nicht friedlich sein

Und so schlage ich jetzt ganz am Schluss doch noch einmal die Brücke zurück zu dem, worum es hier im Blog sonst so geht: um deine Sichtbarkeit. Ich verstehe, dass Sichtbarkeitsängste jetzt gerade für Frauen oder für Menschen aus marginalisierten Gruppen jetzt größer werden.

Es fühlt sich nicht mehr sicher an, sich zu zeigen, wie man ist und die eigene Wahrheit zu sprechen.

Aber wir brauchen euch. Weil eine Gesellschaft, zu der du nur gehörst, weil du stillhältst und dich den immer strengeren Normen anpasst, keine friedliche Gesellschaft ist. In Wahrheit traumatisiert sie jeden einzelnen von uns.

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Zur Autorin:
Bianca Fritz ist Autorin, Mindful Content Mentorin und hilft Selbständigen und Unternehmer*innen ihr Warum, ihre Botschaft und ihre eigene Sprache für ihren Online-Content zu finden. Außerdem unterstützt sie dabei, einen Workflow für Content zu finden, der zum Alltag der vielbeschäftigten Einzelunternehmer*innen passt.